von Diplom-Physiker / Astrophysiker Andreas Schwarz

Das Buch des berühmten und bekannten Astrophysikers und Bestsellerautors Neil de Grasse Tyson ist ein Plädoyer für die wissenschaftsbasierte Aufklärung. Schon ein kurzes Zitat von ihm bringt es auf dem Punkt „Das Gute an Wissenschaft ist, dass sie wahr ist, ob Sie daran glauben oder nicht“. Damit kommen wir von den wertebasierten und verschiedenen gesellschaftlichen Sollnormen zu den unverrückbaren naturwissenschaftlichen Seinnormen. 

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Aus einer bestimmten Perspektive bilden die verschiedenen Systeme und Teile nur noch ein großes Ganzes. Was für Atome, Kerne und Teilchen als Bestandteile unsere Materie gilt, dass gilt auch für menschliche Gesellschaften, welche aus verschiedenen Kulturen mit ihren Wertevorstellungen, weltlichen und religiösen Anschauungen, Ethnien und Sprachen bestehen. Vom Mond oder allgemein vom Weltraum ausgesehen, gibt es nur noch die Menschheit. Die verschiedenen Kulturen verschwimmen zu einem großen Ganzen mit gemeinsamen Eigenschaften und Merkmalen.

In diesem Sinne beschreibt das Buch auch die mögliche Sicht einer außerirdischen Zivilisation, welche unvoreingenommen von außen einen Blick auf die Menschheit nimmt. Ein Kritikpunkt könnte sein, dass der Autor sich stellvertretend für die Menschheit sehr stark auf das US-amerikanische Gesellschaftssystem bezieht. Doch gerade dieses eignet sich gut als Beispiel. Es ist besonders in sich gespalten, mit sehr vielen unterschiedlichen Wertevorstellungen und sehr ausgeprägten sozialen Konflikten.

Es gibt die subjektive Wahrnehmung von einzelnen Menschen oder ganzen Gesellschaften. Der Autor zeigt, dass die subjektive Wahrnehmung bestechlich ist. Sie ist geprägt von Emotionen, Erfahrungen, Glaubenssätzen und Wertevorstellungen. Sie gibt nicht die reine Wahrheit wieder, sondern eine Vorstellung davon, was für wahr gehalten wird. Im Falle der Wissenschaft werden objektive Daten erhoben. Sie ist hierbei in ihren Methodiken leidenschaftslos und nicht von der subjektiven Wahrnehmung beeinträchtigt.

Die Bewertung von wissenschaftlichen Daten und Ergebnissen unterliegt natürlich der subjektiven Bewertung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, doch erfolgt dies im Diskurs mit vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Dieser Diskurs erfolgt nach strengen Regeln. Hinzu kommen Experimente und Messungen zur Überprüfung von wissenschaftlichen Aussagen.

Auf Basis einer naturwissenschaftlichen Sicht geht der Astrophysiker Neil de Grasse Thyson, eröffnet mit der Ouvertüre Wissenschaft und Gesellschaft, kapitelweise auf die Themen Wahrheit und Schönheit, Erforschung und Entdeckung, Erde und Mond, Konflikt und Lösung, Wagnis und Belohnung, Fleischesser und Vegetarier, Geschlecht und Identität, Hautfarbe und Rasse, Gesetzt und Ordnung sowie Körper und Geist ein. Im Schlussteil des Buches (Coda) geht der Autor noch auf Leben und Tod ein.

Die Kernaussage des Buches ist, dass viele sich hartnäckig haltende Glaubenssätze, welche auch zu zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen, ethnischen und zwischennationalen Konflikten führen, sich widerlegen oder sogar ins Gegenteil verklären lassen können. So zeigt Neil des Grasse Thyson in einem von vielen weiteren Beispielen sehr anschaulich wie sich die Vorurteile von hellhäutigen Menschen gegenüber ihren dunkelhäutigen Zeitgenossen anschaulich und glaubhaft ins Gegenteil verklären lassen, ohne dabei auch hier die Unhaltbarkeit dieser Behauptungen unerwähnt zu lassen.

Ein für mich persönlich besonders wichtiger Punkt in diesem Buch ist die Aufführung des Welle-Teilchen-Dualismus. Dieser besagt, dass sich die Materie sowohl in Form von Wellen als auch in Form von Teilchen manifestiert. Das ist eine mehrfach bewiesene und durch viele Experimente bestätigte Tatsache. Klassisch betrachtet kann es nur Welle oder Teilchen sein. Beides schließt sich demnach komplett aus, so wie aus Sicht vieler Menschen nicht zwei Religionen gleichwertig wahr sein können. Statt von Religionen könnten wir auch von zwei verschiedenen weltlichen oder gesellschaftlichen Ansichten sprechen. Doch die moderne Physik lehrt uns, dass die Materie Welle und Teilchen sein kann. Also gibt es in diesem Fall zwei Wahrheiten, auch wenn sie sich nach menschlicher Wahrnehmung auszuschließen scheinen. Entsprechend können also auch zwei oder auch mehr Religionen bzw. weltliche oder gesellschaftliche Ansichten gleichwertig wahr sein. Ein Widerspruch beruht hier auf die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisprozesses ohne entsprechende wissenschaftliche Hilfsmittel.

Der Autor lehrt uns, dass der menschliche Erkenntnisprozess begrenzt ist. Glaubens- und wertebasierte Aussagen sind immer relativ und können nie mit dem Anspruch auf absoluter Wahrheit aufwarten. Evidenzbasierte Aussagen im Sinne der Naturwissenschaften geben uns einen wertvollen Anhaltspunkt dafür, dass rationale Aussagen, befreit von Emotionen, Glaubenssätzen und Wertevorstellungen, einen besseren Weg für einzelne Menschen, für Gesellschaften, Nationen und die Menschheit als Ganzes bieten. Dieser Weg dürfte auch der einzige auf lange Sicht sein, welchen die Menschheit für eine positive Entwicklung gehen kann.

Neil de Grasse Thyson zeigt zwar wie klein die Erde im Verhältnis zum ganzen Kosmos ist. Er zeigt aber auch wie unwahrscheinlich das Glück im Kosmos ist, dass jemand geboren wird und zwischen Geburt und Tod am Leben teilhaben kann. Tatsächlich ist es wahrscheinlicher nicht geboren zu werden. In diesem Sinne bietet das Buch im Spiegel des Kosmos wertvolle Dankanstöße, welche weiterentwickelt werden können. Hierbei erhebt das Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet dennoch eine gute Basis die Thematik zu vertiefen. In diesem Sinne hat das Buch seinen Zweck erfolgreich erfüllt.

Kosmisches Gewinnspiel: Fünf Bücher „Im Spiegel des Kosmos“ werden von Klett-Cotta-Verlag in Kooperation mit dem Astronomischen Verein Wilhelmshaven-Friesland e. V. verlost. Nähere Informationen finden sich in folgendem Flyer:

Dieser Flyer wird auch bei allen Kursen, Vorträgen und Veranstaltungen ausgelegt. Die Teilnahme am Gewinnspiel ist bis zum 31.10.2024 möglich.

Mitgestalten: Wer Interesse hat, am Abenteuer Astronomie teilzuhaben und aktiv in astronomischer und geowissenschaftlicher Forschungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit mitzuwirken, ist herzlich willkommen. Es besteht die Möglichkeit als aktives Mitglied (24,00 Euro / Familien 36,00 Euro / Ermäßigt 12,00 Euro im Jahr) oder Fördermitglied (mindestens 48,00 Euro im Jahr) mitzumachen. Anträge auf Mitgliedschaft finden sich in der Hauptnavigation Verein auf dieser Website.